Geschichte in der Lebenswelt – Jüdisches Leben in Güstrow

Nicht immer ist es leicht, als Lehrer*in für Geschichte, die regionale Geschichte unmittelbar erlebbar zu machen und wenn es sich anbietet, dann machen wir das natürlich. So fanden bereits zahlreiche von Schüler*innen vorbereitete Stadtrundgänge in Deutsch und Französisch und Stolperputzaktionen statt.  

Am letzten Donnerstag und Freitag nach den Osterferien war es wieder möglich und so trafen sich  Schüler der Abiturstufe mit zwei Historikern der Universität Greifswald und unterstützten bei der Dokumentation von jüdischen Grabsteinfragmenten, die seit über 30 Jahren in einem Depot der Stadt Güstrow liegen.  

Insgesamt 70 Grabsteinfragmente galt es zu säubern, zu fotografieren, die die Länge/Breite/Stärke zu messen und Besonderheiten zu notieren. Das Ziel war es, herauszufinden, ob die Grabsteinfragmente dem jüdischen Friedhof in der Neukruger Straße in Güstrow zuzuordnen sind. Schon zu Mitte des ersten Tages bestätigte sich diese Annahme anhand von zwei Grabsteinfragmenten. Auf diesen waren im Gegensatz zum Großteil der Steine deutsche Inschriften notiert, so dass wir sie sofort mit dem Seelenbuch der jüdischen Gemeinde Güstrow abgleichen konnten. Das ist die Sterbeliste, die von der Gemeinde von 1814 bis 1937 geführt wurde. Auf den anderen Grabsteinfragmenten fanden sich hebräische Inschriften, die mittlerweile übersetzt wurden. Das älteste Grabsteinfragment ist aus dem Jahr 1804 und damit mehr als 200 Jahre alt.   

Wie die Steine vom jüdischen Friedhof ins Depot der Stadt Güstrow gekommen sind, ist noch nicht hundertprozentig nachgewiesen. Belegt ist aber, dass die Grabsteinfragmente im November 1991 von dem Hinterhof der Domstraße 6 in Güstrow gehoben wurden und dann auf den Museumshof verbracht wurden. In der Domstraße waren sie in dem kleinen Innenhof als Terrassensteine verlegt worden. Erst als es 1991 eine Rohrleitung aufgrund eines Wasserrohrbruchs neu verlegt werden musste, fand man die Grabsteine. Für diejenigen, die es nicht wissen, zu Zeiten des Nationalsozialismus befand sich in der Domstraße 6 der Hauptsitz der NSDAP-Kreisleitung und zahlreiche Büros von Nationalsozialistischen Vereinigungen. Das macht Geschichte die Grabsteinfragmente umso besonders.  

Wir sind gespannt, wie es weitergeht und hoffen, dass es immer wieder möglich ist, Geschichte aus der Lebenswelt der Schüler*innen in den Unterricht zu integrieren.  (Peggy) 

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